An dieser Stelle möchte ich nicht das Lehrbuchwissen über Multiple Sklerose wiedergeben, da man im Internet genügend Informationen darüber findet. Vielmehr möchte ich die "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" aus meiner Sicht darstellen, denn MS ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Stell Dir vor, Dir tritt jemand auf den Fuß und Du spürst es nicht!
Es ist draußen heiß, die Sonne scheint ganz wunderbar und Du kannst auf einmal kaum noch etwas sehen (Uhthoff-Phänomen)!
Du willst Deinen Fuß bewegen, aber es tut sich gar nichts!
Deine Füße und Beine fühlen sich an, als wären sie in einer Schraubzwinge eingeklemmt!
Deine Körpermitte fühlt sich an, als wäre sie in einem viel zu engen Korsett eingeschnürt. Du hast das Gefühl, kaum atmen zu können!
Du hast Blähungen, kannst aber nicht "pupsen"!
Deine Beine zucken und zittern unkontrolliert (Tremor, Spastik)!
Du wachst mitten in der Nacht auf, weil Dein Brustkorb krampft und Du kaum noch Luft bekommst!
Deine Blase meldet sich permanent und will schon bei kleinsten Füllmengen wie 30 ml auf die Toilette!
Im Vergleich dazu löst eine gesunde Blase starken Harndrang erst bei Füllmengen von 350-750 ml bei Männern und 250-550 ml bei Frauen aus. Aus diesem Grund wurde meine Blase schon diverse Male mit Botox gelähmt, um die Füllmengen zu erhöhen. Leider hält dies nur ca. 4 Wochen bei mir. Diese OP kann allerdings nicht so oft gemacht werden, da man irgendwann resistent wird. So bekomme ich Botox ca. alle 8-12 Monate.
Du hast Verstopfung – jeden Tag!
Du kannst nicht alleine duschen, weil Deine Dusche diese kleine, aber unüberwindbare Stufe in die Duschwanne hat oder Du Dich nicht bewegen kannst, da die Spastiken zu stark sind oder Du zu erschöpft bist!
Fast Dein ganzer Körper fühlt sich pelzig an, kribbelt oder brennt!
Du hast gefühlt heiße Füße, obwohl sie eiskalt sind!
In viele Lokale kommst Du nicht rein, da sie nicht barrierefrei sind oder die Toilette im Keller oder Obergeschoss und somit unerreichbar ist!
Du kannst nicht schwitzen, obwohl Dir unendlich heiß ist!
Der Busfahrer mault Dich an, weil er Dir die Rampe runter machen soll, damit Du mit dem Rollstuhl in den Bus gelangen kannst. Er sagt Dinge wie: „Sie sind verpflichtet, eine Begleitung dabei zu haben!", was natürlich nicht stimmt, aber Dir das Gefühl gibt, eine Belastung und Gefährdung für die Menschheit zu sein.
Du hast permanent Schmerzen, sog. neuropathische Schmerzen!
Du kannst keine Treppen gehen oder dem Bus nachlaufen, um ihn noch zu erwischen!
Du willst als Rollstuhlfahrer abends noch in die Bibliothek Deiner Uni, die zwar bis 24 Uhr geöffnet hat, aber um 22 Uhr werden immer die Fahrstühle abgeschaltet!
An manchen Tagen bist Du zu erschöpft, um Dir selber einen Tee zuzubereiten (Fatigue)!
Du kannst Dich nachts nicht gut drehen und findest nie eine entspannte Position zum Schlafen oder Sitzen! Deshalb bist Du nie erholt oder entspannt!
Du stößt auf Unverständnis für Deine Symptome, da eine Person eine andere Person kennt, die auch MS hat, der es aber gesundheitlich viel besser geht als Dir und folglich denkt diese Person, Du würdest dich anstellen - MS ist doch gar nicht so schlimm!
Und dann diese Gewissheit, dass Deine Krankheit, Deine Behinderung fortschreiten wird und diese quälende Ungewissheit, wie schnell
und in welcher Form!
Ehrlich gesagt, ist es noch viel schlimmer, aber alles mag man (ich) ja doch nicht einfach so schildern!